Nutzerfreundliche Sakramentenpastoral

Hier geht es darum dazustellen, wie das Profil einer ermöglichungspastoralen Haltung in der Sakramentenkatechese in der konkreten Praxis geschärft werden kann und einen Beitrag leistet, dass Christinnen und Christen aus ihrer Menschen- und Taufwürde heraus ihrer Berufung folgen können.

Datum:
Di. 12. Mai 2020
Von:
Christoph Rüdesheim

Aus der Praxis - Verena Krey berichtet aus dem Dekanat Mainz-Süd.[1]

Zum Dekanat Mainz Süd gehören sechs eigenständige relativ kleine (3000 - 5000 Katholiken) pastorale Einheiten im ländlichen Bereich.

 

Seit 2018 findet die Firmvorbereitung auf der Ebene des Dekanates statt. Dahinter stand der Wunsch und ermöglichungspastorale Anspruch, jedem Jugendlichen eine persönlich passende Möglichkeit der Vorbereitung zu eröffnen und mit ihm zu gestalten, die ihm / ihr entspricht. Das wäre in den relativ kleinen pastoralen Einheiten nicht umsetzbar gewesen.

Die ca. 250 Jugendlichen haben nun in der Fläche des Dekanates die Möglichkeit, sich so auf die Firmung vorzubereiten, wie es ihnen entspricht und wie sie es für richtig halten: inhaltlich und zeitlich differenziert, flexibel und mit den Freundinnen und Freunden, mit denen sie unterwegs sein möchten. Dazu sind ihnen 15 - 20 verschiedene Möglichkeiten angeboten, die sich in Aufwand, Dauer und Stil stark unterscheiden. Jede/r Jugendliche kann frei wählen und mitgestalten - unabhängig von der Pfarreizugehörigkeit. Natürlich besteht die Möglichkeit, an mehreren Modulen und zusätzlich auch an Ergänzungsangeboten teilzunehmen. Und damit nicht genug: wer noch etwas anderes braucht, was noch nicht gedacht wurde, wählt das Modul „freestyle“ und hat damit die Möglichkeit, einen ganz individuell persönlichen Vorbereitungsweg zu gehen, der auch darin bestehen könnte, nichts zusätzlich zu dem zu tun, was der Alltag hergibt. Eine Übersicht über die Möglichkeiten des Jahres 2019 /2020 findet sich unter

http://www.kath-dekanat-mainz-sued.de (Sakramente / Firmvorbereitung)

Mit zwei Jahren Erfahrung stellen wir fest, dass die Jugendliche wirklich „ihren Weg“ wählen - meistens unabhängig von einer wohnortnahen Verortung des gewählten Moduls. Sie schauen, was zu ihnen passt und nehmen dafür auch längere Wege in Kauf. Auch der Ort der Firmfeier wird mehr und mehr frei gewählt und ist nicht unbedingt an die Heimatpfarrei gebunden. Die Jugendlichen suchen sich ihre Gemeinschaft. Die Bindung an die Heimatpfarrei spielt keine wesentliche Rolle. Sie nutzen die Freiheit und Mündigkeit bereits in der Vorbereitung, die ihnen im Sakrament zugesprochen wird.

Für Familien, deren Kind an der Erstkommunionvorbereitung teilnehmen soll, gibt es seit 2017 die Option, entweder den Vorbereitungsweg in der Heimatpfarrei zu gehen, oder eine familien- und prozessorientierte Vorbereitungszeit auf der Ebene des Dekanates mitzugehen und damit auch mitzugestalten (Halleluja- Erstkommunion ma(h)l anders, fortan “Hallelujakurs” genannt, s.a. http://www.kath-dekanat-mainz-sued.de(Sakramente / Erstkommunion)). Der Hallelujakurs gibt vier Nachmittage (14 – 19 Uhr) für die ganze Familie vor, mit inhaltlicher Einheit für Erstkommunionkinder und Geschwister und Eltern, Eucharistiefeier und gemeinsamen Abendessen. Die konkrete inhaltliche und methodische Gestaltung entwickelt sich cokreativ im Prozess mit allen Beteiligten, abhängig davon, welche Bedürfnisse die Familien ausdrücken, was sie mitbringen und wie sie sich einbringen. Hauptverantwortlich für die Durchführung des Kurses ist ein Team von zuletzt drei  ehrenamtlichen Personen und einer Gemeindereferentin. Beim letzten Treffen besteht die Möglichkeit, dass die Kommunionkinder in der vertrauten Eucharistiefeier zur Kommunion gehen. Gleichzeitig haben die Kinder die Möglichkeit, später zusätzlich an der feierlichen Erstkommunion in ihrer Heimatpfarrei teilzunehmen.

Im ersten Jahr haben fünf Familien, im zweiten und dritten knapp 20 Familien am “Halleluja-Kurs” teilgenommen. Alle Kinder sind in jedem Jahr beim 4. Treffen zur Kommunion gegangen und 90% der Familien haben zusätzlich die feierliche Erstkommunion in ihrer Heimatpfarrei mitgefeiert.

Den Familien wird in diesem Modell ermöglicht, die Vorbereitungszeit als Familie zu erleben und nach ihren individuellen Möglichkeiten, Charismen und Bedürfnissen auszurichten und (trotzdem) Gemeinschaft zu erleben. Die Pfarreizugehörigkeit spielt eine Rolle. Die meisten Familien nehmen auch punktuell an Angeboten der Vorbereitung ihrer Heimatpfarrei teil (Wochenende, Familiengottesdienste). Geschätzt wird die Familienorientierung und die entspannte Form der Gemeinschaft und die Möglichkeit, sich unkompliziert und ohne Aufwand im Miteinander, Gespräch und Tun einzubringen. Trotz der mittlerweile relativ großen Gemeinschaft (60 - 70 Personen pro Treffen) nehmen die Familien wahr, dass sie „vorkommen“ und sich aktiv einbringen können.

Der Weg dorthin - oder "Wie kam es zu den pfarreiübergreifenden und differenzierten Alternativen der Sakramentenpastoral?“

Anfangs stand bei einigen Hauptberuflichen der Wunsch nach Veränderung, konkret nach Kooperation und Vernetzung der Ressourcen im Dekanat im Vordergrund. Die Bildung einer Steuerungsgruppe auf Dekanatsebene war von der Idee geleitet, die Synergien möglicher Kooperationen nutzen zu können.

In der Steuerungsgruppe und in Tagungen, Konferenzen u.ä. der Hauptamtlichen der Pfarreien im Dekanat ist der Wunsch nach Kooperation als eigentliches Anliegen in den Hintergrund getreten. In den Vordergrund rückte mehr und mehr die Auseinandersetzung mit der Frage nach dem, so wurde es immer wieder genannt, „ureigensten Auftrag“ und einer anderen Form des Kircheseins. Synergien sind gut und schön - aber der Wunsch danach kann nicht leitend sein für Kirchenentwicklung. Es ging somit immer weniger um Methoden der Kooperation, als um Haltungsfragen. Die Haltung der Ermöglichungspastoral (Dorothea Steinebach)[2] und der Sakramententheologie Ottmar Fuchs´ wurden von vielen durchdrungen und zur Basis, auf der neu gedacht und dann auch ausprobiert wurde.

Der Impuls der Ermöglichungspastoral, Sakramentenkatechese nicht von fertigen Konzepten und von Traditionen, sondern radikal vom einzelnen Menschen in seiner schon längst existierenden Beziehung zu Gott her zu denken, war leitend. Es bedeutet, zu fragen, statt zu wissen. Es bedeutet, konzeptionell zu differenzieren und freizugeben, nicht zu fokussieren oder gar zu kontrollieren. Es bedeutet, sich selbst radikal zurückzunehmen und sich dem anderen Menschen vorbehaltlos zuzuwenden und damit vielfältige entwicklungsfördernde Rollen einzunehmen. -

Langer Rede, kurzer Sinn: ein fertiges Konzept für „alle“ in einer Pfarrei ist in ermöglichungspastoraler Haltung unmöglich. Jesus hatte auch nichts fertiges „für alle“, sondern hat seine Verheißung in den Kontext der persönlichen Lebensgeschichten und Bedürfnisse gestellt. Er hat gefragt „Was brauchst Du?“ und sich dem Einzelnen zugewendet, sich radikal eingelassen und nicht gesagt „So läuft es bei mir! - Wer was anderes braucht oder dem Anspruch nicht entsprechen kann oder will hat halt Pech gehabt…!“

Die Kooperation auf Dekanatsebene war damit aus dieser Haltungsfrage und dem Suchen nach dem „ureigensten Auftrag“ heraus unumgänglich, da die kleinen Teams der kleinen Pfarreien nicht die Ressourcen haben, die erforderliche Differenzierung sicher zu stellen. Es brauchte ein größeres Netzwerk.

Das radikale Sich-Einlassen als die Urbewegung Gottes auf den Menschen hin, formuliert im Christushymnus des Philipperbriefes, beschreibt Dorothea Steinebach als Vorbild für die Art der Kooperation und Kommunikation innovativ tätiger Seelsorgerinnen und Seelsorger.[3] Ergänzt durch Ottmar Fuchs` Herleitungen einer freigebenden Sakramentenkatechese[4] sind die Grundhaltungen der Ermöglichungspastoral leitend für die Veränderungen, die sich seit 2017 entwickeln konnten.

Diese Veränderungen wurden und werden auch heute noch hart durchrungen und sind keinesfalls von allen Verantwortlichen innerlich überzeugt mitvollzogen. Natürlich gab und gibt es immer wieder Klärungsbedarf und die Möglichkeit, sich auf den Antrieb der Veränderung immer wieder neu einzulassen und sich der Haltung zu vergewissern. 

Im Bereich der Erstkommunionkatechese brauchte es einige Schleifen, bis nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch, der „Hallelujakurs“ nicht mehr als Konkurrenz oder Infragestellung des „eigenen Modells“ begriffen wurde, sondern als Dienst an den Familien anerkannt und kommuniziert werden konnte, für die das Modell vor Ort, aus welchen Gründen auch immer, nicht passt. Es brauchte Zeit und auch Konflikte, bis gesehen werden konnte, dass die Familien, die sich für den Hallelujakurs entschieden, sich nicht automatisch gegen die Pfarrei entscheiden.

Im Bereich der Firmvorbereitung überzeugen die guten und sehr vielseitigen Angebote. Es ist sofort sichtbar, dass keine einzelne Pfarrei in der Lage wäre, diese Möglichkeiten für die Jugendlichen zu schaffen. Doch es braucht noch ein wenig Erfahrung, bis alle Hauptberuflichen eine gute Balance finden zwischen vertrauensvoller Freigabe und dem eigenen Wunsch und Anspruch, die Jugendlichen an die Pfarrei zu binden.

Verena Krey, April 2020



[1] s. hier auch: Verena Krey, Ermöglichungspastoral im Selbstversuch,  http://www.futur2.org/article/ermoeglichungspastoral-ein-selbstversuch/

[2] Dorothea Steinebach, Getauft und Engagiert, 2011, Echter Verlag; Diess., Den Anderen begegnen: Zur Zukunft von Haupt- und Ehrenamt in der katholischen Kirche (Studien zur Theologie und Praxis der Seelsorge), 2010, Echter Verlag

[3] Dorothea Steinebach, Inspirationen aus dem Christushymnus für eine Berufungs- und Ermöglichungspastoral, Pastoraltheologische Informationen, 23. Jhg, 2012 - 2, S. 81 - 90

[4] Ottmar Fuchs - Sakramente immer gratis, nie umsonst, 2015, Echter Verlag